Politischer Dienstag mit Christian Ude, Alt-OB und Dr. Bernhard Goodwin, Bundestagskandidat im Münchner Westen

12. September 2017

Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl fand das Thema „Rechtsextremismus, Populismus und die AfD – Gefahren von rechts“ großes Interesse. Fast zwei Stunden gab es einen lebhaften Meinungsaustausch.

Christian Ude warnte davor, den bevorstehenden „Rechtsruck“ in Deutschland zu unterschätzen.
1. Vor allem mit Blick auf die europäischen Nachbarländer England, Österreich und Frankreich sowie die USA. Seine These: Dort wurde der Vormarsch der Rechten ermöglicht durch die Schwäche des linken und liberalen Lagers: Sie hatte ein „politisches Vakuum“ entstehen lassen, in das die Rechte eindringen konnte. Ude zitierte Ferdinand Lassalle, der bereits 1850 gefordert hatte: „Politik beginnt damit, zu sagen, was ist.“, um auf die Versäumnisse angeblich „sozialistischer“ Politik hinzuweisen:
- Großbritannien führte unter Toni Blair eine radikal- wirtschaftsliberale Politik zur Zerstörung der industriellen Struktur, was u.a. zu riesigen Steuerausfällen der Kommunen führte, die dann nicht mehr in der Lage waren, ihre Aufgaben für die Bürger zu finanzieren.
- Dieselbe Analyse gelte für die USA, wo die Industriefrage für „erledigt“ erklärt wurde: Die ehemalige Industriehochburgen standen nicht im Fokus. Abstiegsbedrohte Menschen fühlten sich von der Politik vernachlässigt.
- In Österreich mit dem ehemals „roten Wien“ kam es bei der Präsidentenwahl zur Stichwahl zwischen dem GRÜNEN-Kandidaten und dem der FPÖ.
- Frankreichs Präsident Macron klagt angesichts des Widerstandes gegen seine Wirtschaftsreformen über „uneinsichtige“ Gewerkschaften. Dies kann auch zu einem weiteren Erstarken von Marine Le Pen führen – was Europa auf eine weitere Zerreißprobe stellen würde.

Ude sieht hier einen globalen Prozess, in dem linksliberale Bündnisse nicht mehr mehrheits-fähig sind und die Rechte in die entstandenen Lücken eindringt. Daher müsse einerseits in Deutschland auf die Gefahr von rechts mit Aktionen wie Mahnwachen reagiert werden. Die Hauptaufgabe bestehe aber darin, auch in Deutschland keine Hohlräume zu schaffen, in die Rechte eindringen können. Dazu gehört die richtige Bezeichnung von AfD-Politikern. Sie seien keine „Rechtspopulisten“, sondern „Rechtsradikale“. Sie reden nicht „der Mehrheit nach dem Munde“, denn „das“ Volk ist nicht rechtsextrem: Über 85% wählen immerhin demokratische Parteien.
2. Notwendig ist eine Auseinandersetzung mit den Rechten Auch hier gehört Genauigkeit zur Aufgabe. Teile der AfD-Wähler sind rechtsradikal und Nazis. Aber ein Teil sind auch ehemalige SPD-Wähler, sogar ein relevanter Teil der Bevölkerung. Daher deutlich trennen zwischen Nazis und Protestwählern. Ohne diese Menschen zu überzeugen, ist es nicht möglich, sie wieder in die SPD zurück zu holen.
3. Soziologen unterscheiden die zwei „Aggregatzustände“ „Verfestigung“ und „Verflüssigung“. Auf diese müsse sich die Politik beziehen: Das Bedürfnis nach Sicherheit im Leben (Mieterschutz, Kriminalität, Qualität der Arbeit) gehöre zum erstgenannten Zustand; die geforderte Mobilität, Flexibilität gehöre zum Aggregatszustand der „Verflüssigung“, ebenso wie befristete Arbeitsverhältnisse, die Auflösung traditioneller Familienverbände und auch „Völker auf der Wanderung“ – Veränderungen, die viele Menschen überfordern und eine Herausforderung für politisches Handeln darstellen. Die SPD stand historisch immer auf beiden Seiten, hat aber in Deutschland die De-Industrialisierungsprozesse übersehen. Nun müssen vernachlässigte Regionen mehr beachtet werden. Zugleich sind menschliche Bedürfnisse differenzierter zu würdigen.

Dr. Bernhard Goodwin betonte zunächst, wie wichtig ihm als Bundestagskandidaten eine ernstgemeinte Gesprächsbereitschaft, z.B. im Wahlkampf, ist. Kennzeichnend für Demokratie ist Diskussion. Die SPD bezeichnet er als „inklusive emanzipatorische Bewegung“. Das heißt auch,
- Kein Thema ist tabu: Fehler und Probleme anerkennen
- Solidarität: Schwache nicht gegeneinander ausspielen Bürgern, die am Infostand keinen Flyer mitnehmen wollen, sagt er: „Wir sind trotzdem für Ihre Probleme da.“

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